Asthma bei Kindern und Jugendlichen


 
Asthma: Epidemiologie - Pathomechanismus - Diagnostik - Behandlung 

 

[Nationale Versorgungsleitlinie Asthma - Langfassung, 4. Auflage 2020, Version 1 (awmf.org)]


 

Epidemiologie

Asthma zählt mit einer Lebenszeitprävalenz von 4,7 % zu den häufigsten chronischen Erkrankungen im Kindesalter

[Von Mutius E. Asthma: Epidemiologie und Prävention. Atemw-Lungenkrkh. 2016; 42: 3-6]

 

Pathomechanismus

Es handelt sich um eine bronchiale Überempfindlichkeit (Hyperreaktivität) auf dem Boden einer Entzündung, die in der Regel auf rezidivierenden exsudativen Prozessen basiert. Folgen sind bronchiale Obstruktionen, verursacht durch Bronchokonstriktion, Schleimhautödem und eine Dyskrinie.

 

Bei chronischer Entzündung kann sich auf dem Boden proliferativer Vorgänge eine subepitheliale Fibrose entwickeln (Abb. 1).

 

 

 

 Abb. 1: Subepitheliale Bindegewebszone mit Kollagenfasern (Pfeile)




Auslöser
sind: Atemwegsinfektionen, unspezifische Reize (z.B.Staub, Kälte, Tabakrauch) und Allergene (Abb. 2).
Auch körperliche Belastung (Mundatmung: hyperosmolares Bronchialsekret) und Emotionen (Hyperventilation; Vagus-Reiz) können für Asthma-Beschwerden verantwortlich sein.
Meist tragen mehrere Komponenten zum Krankheitsgeschehen bei ("Mischform").

 


Abb. 2: Prozentuale Verteilung der Asthma auslösenden Faktoren
 

 

 

Diagnostik

 

(s. auch Chronischer Husten/bronchiale Obstruktion - Differenzialdiagnose)

 

Anamnese

Atopie in der Familie?
Beschwerden: Trockener Reizhusten oder/und Dyspnoe. Beschwerden nachts, bei oder nach körperlichen Belastungen, bei Allergenexposition sowie evtl. bei Aufregung und Angst.


Auskultationsbefund

Giemen und Brummen, u.U. nur bei forcierter langer Exspiration hörbar.



Falls ein forciertes Exspirationsmanöver nicht gelingt, muss man davon ausgehen, dass bis zu 30 % der trockenen Atemgeräusche bei Kindern auskultatorisch nicht erfasst werden.


 Bei Atemwegsinfektionen können zusätzlich grobblasige Rasselgeräusche zu hören sein. 

 


Lungenfunktionsdiagnostik (s. auch Rationelle Lungenfunktionsdiagnostik
)


Etwa vom Vorschulalter an (bei strenger Indikationsstellung auch beim schlafenden Säugling) kann man den Atemwegswiderstand und das Ausmaß der Lungenüberblähung messen und mittels Bronchospasmolyse-Test die Reversibilität feststellen.

Zur Objektivierung einer Überempfindlichkeit der Bronchien ("bronchiale Hyperreaktivität") trotz fehlender Obstruktion können unspezifische bronchiale Provokationstests durchgeführt werden, durch die eine Bronchokonstriktion herbeigeführt wird, beispielsweise mittels 
- "Lauftest" (freies Laufen oder Laufband)
- mittels Histamin-Provokation

- mittels Methacholin-Provokation.


Verlaufskontrollen mittels Spirometrie (einschl. Fluss-Volumen-Diagramm), bei mittelschwerem u. schwerem Asthma mindestens 1 x /Jahr mittels Bodyplethysmographie (Überblähung ?).
Fluß-Volumen-Diagramme geben u.a. Aufschluß über die Kooperation der Kinder bei der Lungenfunktionsuntersuchung.


 

Allergie-Diagnostik
Hauttest, (spezifisches) Serum-IgE; gezielte inhalative Provokation mit Allergen. 
 

Infektionsdiagnostik
z.B. Differentialblutbild u. CRP; ggf. Röntgen-Thorax, -NNH, evtl. Serologie. 
 


Differenzialdiagnostik

Bei ausbleibender Besserung trotz konsequenter Asthmatherapie müssen vor allem folgende Krankheiten ausgeschlossen werden:
- gastroösophagealer Reflux,
-  "chronische" Aspiration,

- Mukoviszidose,

- Tbc,

- kardiovaskuläre und Atemwegsanomalien,

-  Residuen nach schwerer Infektion wie Bronchiolitis obliterans,

-  ziliäre Dysfunktion etc.

(s. auch Chronischer Husten / bronchiale Obstruktion - Differenzialdiagnose) 
  
 

Behandlung 
 

Asthma-Anfall (Tabelle 1) bzw. "Status asthmaticus" (Ruhedyspnoe > 12 Stunden bei gleichzeitig fehlendem Ansprechen auf inhalative Beta-2-Sympathomimetika):




Tabelle 1:  Therapie des Asthma-Anfalls bei Kindern
- möglichst rasch: Sauerstoff-Insufflation, 2 - 3 l/min nach Bedarf
 (Pulsoximeter-Kontrolle: Ziel: O2-Sättigung > 92 %);  

 

- Atemerleichternde Körperposition, Transport im Sitzen etc.;
 ggf. "dosierte Lippenbremse", "Packegriff"

- Beta-2-Sympathomimetikum (kurzwirk.) Fenoterol (BerotecR, in BerodualR), Salbutamol (z.B. SultanolR): 2 - 4 - 8 Hub,
möglichst über Spacer; alternativ: 8 - 16 Tr. / 2 ml 0.9 % NaCl, über Düsenvernebler (cave: Kältereiz, Herzfrequenz !); evtl. nach 10 min wiederholen; u. U. mit deutlich erhöhter Dosis, insbesondere nach vorausgehender Therapie mit Salmeterol (z.B. SereventR)

[partielle Hemmung der Adenylcyclase]; 

- 2 mg/kg KG Prednisolonäquivalent intravenös oder oral in 2-3 Einzeldosen (ggf. 100 mg rektal),  sowie 2 mg/kg alle 4-6 Stunden bis zur Besserung;

- Beta-2-Mimetika i.v. , vorzugsweise unter stationären Bedingungen (z. B. Salbutamol= SalbulairR initial 5 mg/kg unter Herzfrequenzkontrolle, Erhaltungsdosis als Dauertropfinfusion ca. 1 m g/kg/Std.);

falls nicht verfügbar: 
   0.1 - 0.4 ml Terbutalin (BricanylR ) subkutan; 

- alternativ: Theophyllin, 5 - 6 mg/kg KG i.v. (langsam); im Notfall auch oral, z. B. SolosinR -Tr., ggf. rektal; 

- ggf. ergänzend: Ipratropiumbromid (AtroventR

- bei zunehmender Erschöpfung der Atemmuskulatur (klinische Zeichen, Anstieg des PCO2 ): Adrenalin (SuprareninR), subcutan 0,1-0,5 mg/10 kg (Lösung 1:1000) bzw. analoge Dosis i.v. (Verdünnung auf 1:10.000 mit 0,9 % NaCl) sehr langsam,

Herzfrequenzkontrolle (> 180/min); notfalls Intubation, Beatmung, gründliche Bronchialtoilette

 

Diagnostik: Blutgasanalyse, Rö-Thorax (Nasennebenhöhlen ?), Entzündungsparameter, ggf. Theophyllinspiegel, Serum-Elektrolyte

 



Langzeitbehandlung


Behandlungsziele:

- Vermeiden von Beschwerden im Alltag,
      - ungestörter Nachtschlaf, 
      -
bes. ungestörte Teilnahme an Sport oder Spiel,
      - keine Fehltage in Kindergarten bzw. Schule.
- Prävention chronischer bronchopulmonaler Veränderungen,
- Keine Exazerbationen, die eine

 

stationäre Behandlung erfordern,-
-
 Weitgehend normale Lungenfunktion,
- Vermeiden von unerwünschten Wirkungen durch

 


Medikamente  
 

Medikamentöse Behandlung

 

Nationale Versorgungsleitlinie Asthma - Langfassung, 4. Auflage. 2020, Version 1 (awmf.org)

 

Ab Stufe 2: Behandlung einschl. moderner inhalativer Kortikosteroide (ICS). Sie haben bei richtiger Anwendung (Inhalationshilfen, Mundspülung) keine klinisch bedeutsamen Nebenwirkungen. Bei Säuglingen und Kleinkindern kann Budesonid-Suspension (0,5 mg/2ml,) mittels Düsenvernebler verabreicht werden (Pari-Boy® ohne Verwendung des "Baby S"-Zusatzes). Bei der Inhalation über eine Maske gehen etwa 90 % des Medikamentes verloren. Es muß daher ausreichend hoch dosiert werden (z.B. 2 x 2ml).

 

Bei akuten infekt- und allergiebedingten Asthma-Beschwerden ist gelegentlich kurzfristig der systemische Einsatz von Prednis(ol)on erforderlich. Die Wirkungslatenz ist zu bedenken. Bei Langzeitanwendung kann eine Dosisreduzierung mit Hilfe eines Antileukotriens versucht werden (in Deutschland ab Frühjahr 1998 verfügbar).

 

Hyposensibilisierungsbehandlung/Spezifische Immuntherapie

 

Sie wird bei der klassischen Vorgehensweise subkutan (maximal mit 3 Allergene) ist bei ubiquitär vorkommenden Allergenen u. eindeutiger klinischer Relevanz gerechtfertigt (zum Vorgehen s. Abb. 1 a und b): Das Allergen wird zunächst in wöchentlichen Applikationen innerhalb von ca. 4 Monaten behutsam bis zur Endkonzentration gesteigert. Danach erfolgt schrittweise eine Verlängerung der Intervalle auf 4 bis maximal 8 Wochen. Bei Pollenallergien wird während der Pollensaison die Dosis auf ca. 20 % der Endkonzentration reduziert und nach Ende der Blütezeit wieder bis zum Erreichen der Enddosis gesteigert.  Meist müssen die in Tab. 2 genannten Medikamente ergänzend verabreicht werden.
Eine orale/sublinguale Hyposensibilisierung ist in Erprobung; prinzipiell scheint eine Wirkung nachvollziehbar zu sein. Dosierung (5 - 20 mal höher als s.c.) und Dauer der erforderlichen Therapie sind noch nicht standardisiert.

 


 


 

 



 

 

      Tabelle 2   Asthma-Langzeittherapie bei Kindern und Jugendlichen
                          
 (Je nach Krankheitsverlauf ist eine Intensivierung oder - nach mindestens 3 Monate dauernder Beschwerdefreiheit - eine behutsame Reduzierung der therapeutischen Maßnahmen zu erwägen)

Neben der medikamentösen Therapie ist eine regelmäßige Asthmaschulung und Allergie-/Umweltkontrolle unerlässlich.

 

 

Medikamentöses Stufenschema gemäß Nationaler

Versorgungsleitlinie (NVL) Asthma

www.kinderatmung.de/files/ZA%20Druckfahenn%201%20u2%20at2754Steiss.pdf

 



 

Nicht-medikamentöse Behandlung

Verzicht auf Tierhaltung, unnötige Staubquellen (Hobbies !) und Rauchen in der Wohnung; ggf. Verwendung hautfreundlicher milbendichter Kopfkissen u. Matratzenüberzüge ("encasing"), evtl. "Allergiker-Matratzen" zum Schutz gegen Milben; Einsatz von Staubsaugern mit Feinstaubfiltern.
Begründung: Das Risiko eines persistierenden Asthmas wird erhöht durch das Halten von Haustieren (Tierallergen, Vorratsmilbe, Schimmelpilze), Feuchtigkeit im Haus (Hausstaubmilben, Aspergillus fumigatus etc.) sowie aktives und passives Rauchen (s.auch Asthma-Checkliste, Informationen für Laien: Merkblatt zur Sanierung).
 

 

 
Beendigung der Behandlung:


Sind länger als 6 Monate keine Beschwerden mehr aufgetreten, so kann die medikamentöse Behandlung mit Medikamenten behutsam verringert, vielleicht sogar beendet werden. Die beschriebenen nicht-medikamentösen Vorsichtsmaßnahmen sollten jedoch weiterhin, auch bei der späteren Berufswahl, beachtet werden.