Thoraxschmerz bei Kindern und Jugendlichen


 

Epidemiologie
 
Brustschmerz bei Kindern und Jugendlichen kann vielfältige Ursachen haben (Tab. 1). Der Häufigkeitsgipfel liegt im Alter von 12 bis 14 Jahren. Aber auch später spielen thorakale Schmerzen eine große Rolle im klinischen Alltag, zumal sich Probleme benachbarter Organe, einschließlich des knöchernen Skeletts und der quergestreiften Musku­latur, nicht selten in den Brustbereich projizieren.
 
 
Entstehung des Schmerzes
 
Prinzipiell unterscheidet man zwischen einem direktem Organschmerz und fortgelei­teten Brustschmerzen. Bei ersterem werden durch exzessive Spannung in einem Organ oder massive Kontraktion glatter Muskulatur infolge pathologischer Prozesse direkte Schmerzen in thorakalem Gewebe ausgelöst. Bei fortgeleiteten Schmerzen werden über afferente Fasern zum Rückenmark andere Organ bzw. das zugehörige Hautareal in die Schmerzempfindung einbezogen, zu denen sensorische Nerven aus dem gleichen Segment des Rückenmarks führen [Franz 1993].
 
 
Ätiologie
 
Meist handelt es sich um harmlose Beschwerden, denen gutartige funktionelle Ver­änderungen zugrundeliegen. Es gibt aber auch ernste, z.T. lebensbedrohliche Ursachen, die eine möglichst rasche Diagnosestellung und Therapie erfordern.
Am häufigsten treten beim Heranwachsenden Brustwandschmerzen infolge von Irri­tationen der interkostalen Nervenplexus ("Interkostalneuralgie") auf. Danach folgen thorakale Schmerzen im Rahmen entzündlicher bronchopulmonaler Prozesse und durch Beteiligung der Pleura parietalis; die Pleura visceralis gilt als nicht schmerzempfindlich.
 
Von den primär nicht-entzündlichen Prozessen kommt dem gastroösophagealen Reflux die größte Bedeutung zu. Intraösophageale Säureeinwirkung kann direkt oder durch Provokation einer spastischen Ösophaguskontraktion zu Schmerzen führen [Berges 1992].
 
Zu den seltenen, aber gravierenden Ursachen gehört der Spontanpneumothorax, der in der Sonderform des Spannungspneumothorax sofortiges Eingreifen erfordert. Man unterscheidet den idiopathischen und den symptomatischen Pneumothorax.
 
Der idiopathische Pneumothorax betrifft überwiegend junge Menschen im 2. und 3. Lebensjahrzehnt. Vorherrschendes Initialsymptom ist ein aus völligem Wohlbefinden heraus plötzlich auftretender einseitiger Schmerz, der manchmal als "reißverschlußartig" beschrieben wird; er ist oft verbunden mit Husten und - je nach Ausdehnung - zunehmender Dyspnoe.
Ursachen sind oft nur minimale subpleurale Blasen, eine Texturlockerung mit Bildung von Pneumatisationskammern, eine vermehrte Porosität der Pleura (z.B. auch während der Schwangerschaft und Menstruation) oder die Ruptur einer pleuranahen Zyste. In etwa 30% läßt sich keine Ursache finden.
 
Der symptomatische Pneumothorax, der sonst überwiegend bei älteren Menschen mit diffusem obstruktiven Lungenemphysem beobachtet wird, tritt bei Jugendlichen als Folge eines Traumas, im Rahmen bronchopulmonaler Lungenerkrankungen (Asthma, Zystische Fibrose, Tuberkulose, kongenitale Wabenlunge, Tumoren, ins­besondere Histiozytose X) und iatrogen bedingt auf.
Im Rahmen einer arterieller Hypertonie und atherosklerotischer Veränderungen kann auch beim Jugendlichen bereits eine Angina pectoris auftreten.
 
 
Diagnostik
 
Schmerzqualität und- lokalisation: Sie kann erste wichtige Hinweise geben.
Ein lokaler oberflächlicher Schmerz weist auf die Thoraxwand als Entstehungsort hin. Dieser Schmerz ist oft durch Perkussion oder Thoraxbewegungen sowie tiefe Atemexkursionen zu provozieren.
Dumpfe, aus der Tiefe kommende, schwer lokalisierbare Schmerzen. die oft in die Umgebung ausstrahlen, lassen auf thorakale oder abdominelle Organe als Ursache schließen, die auch in den zugehörigen Dermatomen Mißempfindungen auslösen, z.B. Rückenschmerzen bei Cholelithiasis (Tab. 1).
Labordiagnostik: Sie kann sehr umfassend sein und reicht von der Röntgenauf­nahme des Thorax bis hin zu aufwendigen (z.B. CT) und invasiven Maßnahmen (z.B. Endoskopie) (Tab. 1).

 
 
Tab. 1        Ursachen, Beschwerden und Diagnostik bei Brustschmerz


 

Ursachen
charakterist. Symptome
Diagnostik
"Funktioneller" Brustschmerz
(Irritation interkostaler
Nervenplexus)
scharfer, häufig gut lokalisier-
barer Schmerz; beim Sport
meist wenig oder nicht spürbar
Provokation durch
Thoraxbewe
gungen, tiefe
Atemexkursionen, Perkussion, Palpation, Husten;
s. auch Orthostase-Syndrom
Bronchopulmonal
Husten 
 
diffuse thorakale Schmerzen,
evtl. in Rücken u. Oberbauch
ausstrahlend
 
Nachlassen zwischen
Hustenattacken
Asthma (bes. bei
"Anstrengungsasthma")
Retrosternale oder diffuse
thorakale Schmerzen (bes. untere  Thoraxapertur)
Lungenfunktionstest, Allergie-
Diagnostik,
Belastungstest;ggf. Rö-Thorax,
Linderung nach Broncho-dilatation etc.
Pneumonie mit Pleuritis
Husten, Fieber, AZ ¯ ,
atemabhängiger Schmerz,
Schonatmung (flach, schnell),
evtl. Nachschleppen einer Seite;
evtl. Ausstrahlen in
d.Halsbereich,
in Oberbauch und in den
Rücken
(letzteres vor allem bei
basaler Pleuritis)
evtl. feinbl. RG, Rö-Thorax
(in 2 Ebenen);
Entzündungsparameter, Blutgasanalyse, Sputumanalyse, ggf.
Pleurapunktion, CT; weitere Diagnostik: Erreger-spezifisch (Tbc, atyp. Keime !)
bzw. entsprechend vermute-
ter Grundkrankheit
Pneumothorax
einseitiger akuter Schmerz;
später: Husten, evtl. Dyspnoe
wie oben
Pneumomediastinum
retrosternaler Schmerz, evtl.
fortgeleitet zwischen die
Schulterblätter
wie oben
Tumor
vielfältig
wie oben
Lungenembolie
Thoraxschmerz b. Grundkh.,
(z.B. b. nephrot. Syndrom)
Perfusionszintigraphie, Pulmonalisangiographie
Kardiovask. Ursache
Orthostase-Syndrom,
Herzrhythmusstörung, Mitralklappenprolaps,
Koronorsklerose
Peri- (Pan)karditis evtl. mit
Pneumoperikard
 
"Herzschmerz";
+ Herzstolpern, Herzrasen;
mittelsystolischer Klick; evtl.
Ausstrahlen in linken Arm,
ggf. systol. u. diastol.
Geräusch
Anamnese: "Morgenmuffel";
 Schellong; Ekg, u.a. "QT-Sy."
(QT-Verlängerung unter
Belastung ­ ); Phono-, Echo-
kardiogramm, Rö-Thorax; ggf.
Angiographie, 24 h-Blutdruck-
messung, Fettstoffwechsel
etc.;
Gastrointestinale Ursache
Gastroösophagealer Reflux,
Ösophagitis, Ös.perforation,
Fremdkörper im
Ösophagus,
Ösohagusvarizen,
Ös.-Achalasie, Hiatushernie
 
Retro- u. substernaler
Schmerz,
bes. nach Mahlzeit u. in
Rückenlage; Schluckbeschwerden
 
Ösohagogramm, pH-Metrie, Manometrie,
Sonographie, evtl.Endoskopie,
Kontrastmitteldarstellung
des Magens
Ulcus ventriculi 
Besserung nach Nahrung u.
 Antacida
 
Cholelithiasis
unter rechtes Schulterblatt aus-strahlender Schmerz
Cholestase-Diagnostik, Sonographie
Pankreatitis
dorsal basal linksthorakaler S.
u. a. Pankreas-Elastase
in Stuhl;
Serum-Amylase, ggf.
Pankreatikographie
Orthopäd. Ursache
z.B. Fraktur,
path. Prozesse
i. Rippen, Thorax-WS,
Wurzelkompression,
Kyphoskoliose,
 
je nach Ursache: lokaler od.
fortgeleiteter diffuser S. 
 
Inspektion, Palpation,
 Perkussion; moderne
 bildgebende Verfahren zur
 Darstellung der WS,
der Weichteile und des
knöchernen Skeletts
Psychogene Ursache
diffuser S.,
Neigung zu Hyperventilation,
Angstzuständen, Depression
je nach Schweregrad:
psycholo-gische Diagnostik




 

Therapie
 
Die Therapie richtet sich nach den zugrundeliegenden Ursachen und Grundkrank­heiten, soweit diese einer Behandlung zugänglich sind.
Bei den Interkostalneuralgien des Heranwachsenden ist die Aufklärung über die Schmerzursache die entscheidende therapeutische Maßnahme.
 
 
Prognose
 
Sie ist im allgemeinen gut. Bei Vorliegen einer Grundkrankheit sind - unter Umständen aufgrund unterschiedlicher Pathomechanismen - rezidivierende Thorax­schmerzen zu erwarten (z.B. bei Zystischer Fibrose).
 
 

Literatur
1.  Berges, W. (1992): Der nicht-kardiale Thoraxschmerz. Dt. Ärztebl. 89:1698-1700
2.  Franz, Martha: Evaluation of chest pain in childhood and adelescence. In: Hilman, B.C. (Hrsg.): Pediatric respiratory disease: Diagnosis and treatment. Saunders, Philadelphia-Tokyo, 1993, 162-172
3. Lindemann, H.: Differentialdiagnose Brustschmerzen bei Jugendlichen. In: D. Palitsch (Hrsg.) Jugendmedizin. Urban & Fischer, München-Jena, 1999, 377-379.